Ein Praktischer Leitfaden für Unternehmen und KI-Nutzer zur EU KI-Verordnung
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Hand aufs Herz: Wer von uns hat nicht die Augen verdreht, als die EU ihre neue KI-Verordnung ankündigte? Über 100 Artikel mit Vorschriften, die selbst Tech-Profis Kopfzerbrechen bereiten. Die neue KI-Verordnung erscheint auf den ersten Blick wie ein undurchdringliches Dickicht aus juristischen Fallstricken.
Doch keine Sorge: In diesem Leitfaden führen wir Sie sicher durch die Regulierung. Keine verschachtelte Behördensprache, keine Paragraphen-Akrobatik. Stattdessen zeigen wir Ihnen, worauf es wirklich ankommt und wie Sie die wichtigsten Stolperfallen vermeiden.
Betrifft mich die EU KI-Verordnung überhaupt? Kurze Antwort: Wahrscheinlich ja.
Was die meisten Unternehmen nicht hören wollen: Die EU KI-Verordnung ist keine Spezialnummer für Tech-Giganten oder KI-Startups. Sie entwickeln keine KI-Software oder KI-Modelle? Gut – aber nutzen Sie vielleicht ChatGPT für Marketingtexte? Oder Microsoft Copilot? Dann gehören Sie zu den Betroffenen.
Gilt die KI-Verordnung für Unternehmen, die KI-Systeme entwickeln? - Selbstverständlich.
Gilt die KI-Verordnung für Unternehmen, die KI-Systeme einsetzen? - Ja, und das betrifft mittlerweile fast alle Unternehmen, auch wenn es Ihnen nicht bewusst ist.
Gilt die KI-Verordnung für Mitarbeitende, die mit KI-Tools arbeiten? - Ja, vom Marketing-Praktikanten bis zur Geschäftsführung.
Gilt die KI-Verordnung für Privatpersonen? - Nein, Privatpersonen bilden eine Ausnahme.
Besonders wichtig: Sobald Sie KI-generierte Inhalte in der EU verwenden, fallen Sie unter die Verordnung. Es reicht bereits, wenn Sie die KI-Funktionen in Ihrer Business-Software aktiviert haben, wie beispielsweise den Microsoft Copilot.
Warum muss ich mich JETZT mit der EU KI-Verordnung befassen? Das Timing ist entscheidend: Der nächste wichtige Stichtag ist der 2. Februar 2025. Die Verbote für bestimmte Systeme und die Regeln für Systeme mit "annehmbarem Risiko" treten dann in Kraft (dazu später mehr). Aber vor allem: Ab dann müssen alle Mitarbeitenden, die mit KI-Software arbeiten, entsprechend geschult sein.
Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu 35 Millionen Euro oder 7% des weltweiten Jahresumsatzes bei schweren Verstößen - je nachdem, welcher Betrag höher ist.
Den genauen Zeitplan finden Sie unten im Abschnitt “Wann tritt die EU KI-Verordnung in Kraft?”
Was versteht die EU eigentlich unter "Künstlicher Intelligenz"? Die EU hat eine praxisorientierte Definition gewählt, die Klarheit schafft, auch wenn sie nicht perfekt ist. Ein System gilt als KI, wenn es:
von Maschinen betrieben wird einzelne Arbeitsschrite selbstständig erledigen kann aus Erfahrungen lernen kann Ergebnisse produziert, die unsere Welt beeinflussen (digital oder real) Wie erkenne ich, ob ich eine KI im Sinne der EU KI-Verordnung nutze? Eine praktische Orientierung: Wenn Ihr System selbstständig Aufgaben erledigt, die üblicherweise ein Mensch ausführen würde, und dabei aus Erfahrungen lernen kann, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine KI im Sinne der Verordnung - unabhängig davon, ob als reine Software oder in Kombination mit Hardware.
Die EU-Verordnung betrifft Ihr Unternehmen, wenn Ihre Teams:
In Windows oder Office-Apps den CoPilot aktivieren Texte mit DeepL übersetzen Finanzauswertungen mit KI in SAP machen Werbetexte mit ChatGPT generieren Bilder mit MidJourney erzeugen oder generative Füllfunktion von Photoshop einsetzen Sobald die Möglichkeit besteht, dass Mitarbeitende KI-Inhalte erzeugen, greift die Verordnung.
Merkmale eines KI-Systems Was will die EU mit der KI-Verordnung erreichen? Die EU verfolgt ein klares Ziel: KI soll sicher, vertrauenswürdig und fair sein – vergleichbar mit anderen Produkten. Die KI-Verordnung funktioniert dabei wie eine Kombination aus Produkthaftungsgesetz und TÜV für künstliche Intelligenz. Analog zum Automobilbereich, wo Sie erwarten, dass die Bremsen funktionieren und der Hersteller bei Mängeln haftet, sollen auch KI-Systeme bestimmten Standards entsprechen.
Welche Probleme will die EU damit lösen?
Vermeidung von Diskriminierung durch KI Eine KI ist nur so neutral wie ihre Trainingsdaten. Ein anschauliches Beispiel: Eine KI für Personalabteilungen, die aus historischen Bewerbungsdaten lernt, könnte systematisch Männer bevorzugen – einfach weil in der Vergangenheit überwiegend Männer eingestellt wurden.Transparenz bei KI-gestützten Entscheidungen Moderner KI-System liefern Ergebnisse, deren Zustandekommen oft nicht nachvollziehbar ist. Dies entspräche einem Finanzberater, der Entscheidungen trifft, ohne diese erklären zu können oder zu wollen.Sensibilität für Sicherheitsrisiken KI-Systeme sind anfällig für Hackerangriffe, Fehlfunktionen oder Manipulationen. Während ein Ausfall regulärer Software meist störend ist, kann der Ausfall einer KI im Gesundheitswesen oder bei autonomen Fahrzeugen schwerwiegende Folgen haben.Schutz der Privatsphäre Viele KI-Dienste stammen aus Ländern mit weniger strengen Datenschutzbestimmungen. Die EU möchte hier klare Grenzen setzen und die Privatsphäre ihrer Bürger schützen. Ein konkretes Beispiel zeigt sich bei der emotionalen Erfassung durch KI in Meetings: Obwohl die technologischen Möglichkeiten bereits bestehen, Gefühlszustände automatisiert zu analysieren, sieht die EU hier klaren Regulierungsbedarf zum Schutz der Privatsphäre. Solche invasiven Technologien, auch wenn technisch möglich, können negative gesellschaftliche Auswirkungen haben und werden daher durch EU-Regularien eingeschränkt.Gewährleistung menschlicher Kontrolle KI-Systeme können Fehler verursachen, die für Menschen schwer vorherzusehen sind. Von fehlerhaften Analysen bis zu problematischen Entscheidungen – die Auswirkungen können weitreichend sein und müssen durch menschliche Kontrolle begrenzt werden. Ein kritisches Beispiel aus dem Gesundheitsbereich: Eine KI könnte bei der Analyse von Röntgenbildern fälschlicherweise Krebs diagnostizieren, was ohne menschliche Überprüfung zu unnötigen, belastenden Operationen führen könnte.Wie stuft die EU verschiedene KI-Systeme ein? Die EU kategorisiert KI-Systeme in vier Risikoklassen. Diese Einstufung bestimmt die jeweiligen Pflichten und Beschränkungen.
Risikokategorien der KI-Verordnung Kategorie 1: Inakzeptables Risiko - Absolutes Verbot Bestimmte KI-Praktiken sind grundsätzlich verboten. Dazu gehören Systeme, die Menschen unterschwellig manipulieren oder auf Basis persönlicher Merkmale, wie Herkunft, Vorhersagen über kriminelles Verhalten treffen sollen. Solche Systeme dürfen weder entwickelt noch eingesetzt werden.
Kategorie 2: Hohes Risiko - Strenge Regulierung Hochrisiko-KI-Systeme sind unter strengen Auflagen zulässig. Dies betrifft beispielsweise KI im Gesundheitswesen für Diagnostik oder Systeme für Personalentscheidungen. Die Anforderungen umfassen höchste Datenqualität, lückenlose Dokumentation und kontinuierliche Überwachung. Der damit verbundene Aufwand ist erheblich, aber für die Sicherheit unerlässlich.
Kategorie 3: Begrenztes Risiko - Transparenzanforderungen Die Mehrheit gängiger KI-Anwendungen fällt in diese Kategorie. Der Schwerpunkt liegt auf Transparenz: Ein Chatbot muss als KI erkennbar sein, KI-generierte Inhalte (etwa im Marketing) müssen entsprechend gekennzeichnet werden. Nutzer müssen stets über die Interaktion mit KI-Systemen informiert sein.
Kategorie 4: Minimales Risiko - Grundlegende Anforderungen Für KI-Systeme mit minimalem Risiko, wie Spam-Filter oder KI in Videospielen, gelten nur die grundlegenden Anforderungen an KI-Kompetenz der Mitarbeitenden. Diese Systeme unterliegen keinen speziellen Auflagen.
Wichtig: Die Grenzen zwischen den Kategorien sind nicht immer eindeutig. Im Zweifelsfall empfiehlt sich eine Einstufung in die höhere Risikokategorie, um regulatorische Risiken zu minimieren.
Die EU bietet als Hilfsmittel, den EU AI ACT Compliance Checker , um schnell herauszufinden welche Pflichten einzuhalten sind.
Was gilt für Allzweck-KI (General Purpose AI)? Die EU widmet den General Purpose AI-Systemen (GPAI), wie ChatGPT, besondere Aufmerksamkeit. Diese Systeme zeichnen sich durch folgende Merkmale aus:
Training mit umfangreichen Datenmengen Fähigkeit zur Selbstüberwachung Vielseitige Einsetzbarkeit Hohe Integrierbarkeit in verschiedene Anwendungen Anbieter von GPAI-Systemen müssen spezifische Anforderungen erfüllen:
Erstellung detaillierter technischer Dokumentation Bereitstellung umfassender Informationen für nachgelagerte Anbieter Strikte Einhaltung der Urheberrechtsrichtlinie Transparenz bezüglich der Trainingsinhalte Bemerkenswert ist: Gegenwärtig erfüllt kein großer Anbieter diese Vorgaben vollständig. Für Open-Source-Modelle gelten modifizierte Regelungen - hier beschränkt sich die Pflicht auf den detaillierten Nachweis der verwendeten Trainingsdaten.
Wann tritt die EU KI-Verordnung in Kraft? Aktueller Stand und Inkrafftreten der EU KI-Verordnung 2024:
August 2024: Inkrafttreten der Verordnung Februar 2025: Wirksamwerden der Vorschriften für Systeme mit annehmbarem Risiko und KI-Kompetenz August 2025: Geltungsbeginn der Regelungen für General Purpose AI August 2026: Aktivierung der meisten Vorschriften August 2027: Inkrafttreten der Hochrisiko-Regelungen
Zeitplan der EU KI-Verordnung Was bedeutet die EU KI-Verordnung für Ihr Unternehmen? Die EU KI-Verordnung bringt substanzielle Veränderungen für Unternehmen mit sich. Der Grundsatz lautet: KI soll dem Menschen dienen - nicht umgekehrt.
Zentrale Handlungspflichten:
Ab Februar 2025:
Aufbau der KI-Kompetenz bei Mitarbeitenden Transparenzanforderungen bei Systemen mit begrenztem Risiko Für Hochrisiko-Systeme (bis August 2027):
Dokumentations- und Transparenzpflichten Systematischen Risikomanagements Was sind die Anforderungen an KI-Kompetenz-Schulungen? Mitarbeitende mit KI-Berührungspunkten (z.B. Zugriff auf Microsoft CoPilot Features) benötigen folgende Qualifikationen:
Fundiertes Grundlagenverständnis: Funktionsweise und Möglichkeiten der KI Risikobewusstsein: Erkennung potenzieller Fehlerquellen Praktische Handlungskompetenz: Identifikation problematischer Ergebnisse Dokumentierte Qualifikation: Nachweisbare Schulungsteilnahme Welche Pflichten haben Unternehmen beim Einsatz von KI? Die EU KI-Verordnung differenziert zwischen allgemeinen Pflichten für alle KI-Systeme und zusätzlichen Anforderungen für Hochrisiko-Systeme.
Grundlegende Pflichten für alle KI-Systeme:
Die EU-KI-Verordnung unterscheidet zwischen grundlegenden Pflichten, die für alle KI-Systeme gelten, und zusätzlichen Anforderungen für Hochrisiko-Systeme.Für sämtliche KI-Anwendungen müssen Sie zunächst die Transparenzanforderungen erfüllen: Sie müssen dein Einsatz von KI in Ihren Produkten aktiv kommunizieren und KI-generierte Inhalte eindeutig kennzeichnen.
Parallel dazu müssen Sie Ihre Mitarbeiter qualifizieren: Sie müssen Schulungen durchführen und nachweisbare KI-Kompetenz aufbauen. Diese Schulungsmaßnahmen müssen Sie dokumentieren.
Zusätzliche Anforderungen bei Hochrisiko-Systemen: Deutlich umfangreicher sind Ihre Pflichten bei Hochrisiko-Systemen: Sie müssen Hochrisiko-Systeme, die Sie im Einsatz haben, registrieren und eine kontinuierliche Überwachung mit regelmäßigen Risikoanalysen durchführen. Sie müssen Vorfälle melden und bei der Datenkontrolle eine strikte Prüfung der Eingabedaten vornehmen.
Besonders wichtig: Sie müssen die menschliche Aufsicht durch speziell geschultes Personal sicherstellen und klare Verantwortlichkeiten sowie Eingriffsmöglichkeiten definieren.
Unabhängig von der Risikokategorie müssen Sie die Implementierung dieser Pflichten systematisch angehen und als kontinuierlichen Prozess verstehen, nicht als einmalige Maßnahme.
Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen? Die EU-KI-Verordnung sieht ein dreistufiges Sanktionssystem vor, das die Schwere der Verstöße berücksichtigt:
Höchste Strafen (bis 35 Mio. € / 7% Jahresumsatz) Bei verbotenen KI-Systemen und Verstößen gegen Hochrisiko-Qualitätskriterien Mittlere Strafen (bis 15 Mio. € / 3% Jahresumsatz) Bei fehlenden Schutzmaßnahmen und nicht gekennzeichneten Deepfakes Niedrige Strafen (bis 7,5 Mio. € / 1% Jahresumsatz) Bei Falschinformationen gegenüber Behörden Höchststrafen bei Missachtung der KI-Verordnung Welche Ausnahmen für die EU KI-Verordnung gibt es? Die Verordnung enthält differenzierte Ausnahmeregelungen:
Private KI-Nutzer sind nicht betroffen KI-Systeme, die ausschließlich zu Forschungs- und Entwicklungszwecken eingesetzt werden, sind von vielen Vorgaben ausgenommen Open-Source-KI-Systeme unterliegen grundsätzlich erleichterten Bedingungen, sofern sie nicht als Hochrisiko-Systeme eingestuft sind Für militärische Zwecke und Sicherheitsbehörden gelten Sonderregelungen Ausnahmen bei der EU KI-Verordnung Fazit: Systematische Vorbereitung ist entscheidend Die EU KI-Verordnung mag auf den ersten Blick wie ein regulatorisches Monster erscheinen. Doch wie bei jedem komplexen Projekt gilt: Wer strukturiert vorgeht und rechtzeitig startet, wird die Anforderungen souverän meistern.
Was Sie JETZT angehen sollten:
In welchen Systemen nutzen wir bereits KI? Erstellen Sie eine Liste aller KI-Systeme in Ihrem Unternehmen Prüfen Sie auch "versteckte" KI in Standard-Software Kategorisieren Sie die Systeme nach Risikoklassen Dokumentieren Sie Einsatzzweck und betroffene Abteilungen Wer ist der Ansprechpartner für was? Benennen Sie einen KI-Verantwortlichen Bilden Sie ein interdisziplinäres Umsetzungsteam Definieren Sie klare Zuständigkeiten Planen Sie das notwendige Budget ein Wie schule ich meine Mitarbeiter? Ermitteln Sie den Schulungsbedarf je Mitarbeitergruppe Erstellen Sie Schulungsunterlagen Planen Sie Schulungstermine Entwickeln Sie Erfolgskriterien und Nachweissysteme Wie dokumentiere ich richtig? Implementieren Sie ein KI-Verzeichnis Integrieren Sie KI-Dokumentation in bestehende Prozesse Erstellen Sie Vorlagen für Risikoanalysen Führen Sie Protokolle über alle Maßnahmen Die gute Nachricht: Sie müssen das Rad nicht neu erfinden. Die Verordnung gibt Ihnen einen klaren Rahmen vor. Nutzen Sie die Zeit bis Februar 2025 für eine systematische Vorbereitung. Sehen Sie die Regulierung als Chance: Wer jetzt die Weichen richtig stellt, schafft nicht nur Rechtssicherheit, sondern gewinnt auch das Vertrauen von Kunden und Mitarbeitern.
Die EU KI-Verordnung ist wie ein TÜV für Ihre KI-Systeme: Zunächst bedeutet sie Aufwand, aber am Ende steht mehr Sicherheit und Vertrauen. Nutzen Sie diese Chance für Ihr Unternehmen!